Cover: Blinde Menschen in der Ostmark 1938-1945


derstandart.at/Wissenschaft/Zeit vom 14.03.2006

Historikerin widmet sich Schicksal der österreichischen Kriegsblinden

300 erblindeten im Ersten Weltkrieg - Publikation wird auch als Hörbuch aufgelegt

Graz - Mit einem bisher vernachlässigten Thema der österreichischen Zeitgeschichte beschäftigt sich ein Buch, das in der Reihe des Grazer Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung erschienen ist und am Dienstag gemeinsam mit dem Tiroler Blinden und Sehbehindertenverband vorgestellt wurde: "Kriegsblinde in Österreich 1914-1934" von Barbara Hoffmann beleuchtet das Schicksal von rund 300 österreichischen Soldaten, die im Ersten Weltkrieg ihr Augenlicht verloren. Damit das Buch auch blinden Menschen zugänglich ist, wird es zusätzlich als Hörbuch herausgegeben Das Schicksal der österreichischen Kriegsblinden steht im Zentrum von Barbara Hoffmanns Untersuchung, die sie ursprünglich für ihre Diplomarbeit angestellt hat. Während des Ersten Weltkrieges erblindeten so viele Soldaten wie bei keinem Krieg zuvor. Sechs Prozent aller Verwundungen waren Augenverletzungen; rund 300 österreichische Soldaten wurden blind.

Dabei ist es ein Trugschluss, dass die Verletzungen vorrangig auf den Einsatz von Giftgas zurückzuführen waren. "Schützengräben, Feuern in liegender Stellung mit erhobenem Kopf, Kämpfe mit Minen sowie Handgranaten und stark splitternde Geschosse führten zu einem Ansteigen der Kopfverletzungen", recherchierte Hoffmann.

Frühe Einrichtungen für Kriegsblinde

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges nahm sich das k. und k. Blindenerziehungsinstitut in Wien der sehgeschädigten Soldaten an. Es folgten bald weitere Einrichtungen, wie das Odilien-Institut in Graz. Als sehr fortschrittlich, so Barbara Hoffmann, seien dabei die damaligen Bemühungen zu werten, den Kriegsblinden wieder eine sinnvolle Beschäftigung zu ermöglichen. Mehr als drei Viertel der Kriegsblinden betrieben z.B. eine eigene Trafik.

Die Versorgung der Kriegsblinden in Österreich sei im internationalen Vergleich zwischen 1914 und 1934 als vorbildlich zu bezeichnen, so das Resümee der Autorin. Allerdings bildete sich allmählich eine Zwei-Klassengesellschaft unter den Blinden der Ersten Republik aus. Die großzügige staatliche Förderung für die Kriegsblinden kam nicht in gleichem Maße den "Friedensblinden" zu Gute.

Barbara Hoffmann kam zu dem Thema, weil sie als Skibegleiterin für Blinde tätig ist und so für die Problematik sensibilisiert wurde. Auch ihre Dissertation verfasst Hoffmann über derartige Menschenschicksale, und zwar über "Blinde Menschen in der NS-Zeit". Beruflich ist die Historikerin als Pressereferentin des Tiroler Blinden- und Sehbehindertenverbandes tätig. (APA)

© derStandard.at 2006